Empowerment: Kreative Medienprojekte mit geflüchteten oder neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen

Ein Artikel von Eva Kukuk, Diplom-Pädagogin/Medienpädagogin und Renate Röllecke M.A., Referentin für Medienpädagogik und Medienbildung in der GMK-Geschäftsstelle

Wie kann Medienpädagogik, wie können medienpädagogische Projekte Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte in der Selbstwirksamkeit, Teilhabe, Integration und Inklusion fördern? Hierzu hat die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) ausgehend von einer Mitgliederbefragung einen Expert*innenworkshop veranstaltet und verschiedene Praxisprojekte kennengelernt und vernetzt. Ergebnisse des vom Bundesjugendministerium (BMFSFJ) geförderten Workshops werden online präsentiert und Projekte fortlaufend vorgestellt. Auch im Rahmen des Dieter Baacke Preises, der bundesweiten Auszeichnung für medienpädagogische Projekte, wurden und werden Projekte in der Zusammenarbeit mit Geflüchteten und neu Zugewanderten prämiert. Mit dem GMK- M-Team verfügt die GMK selbst über vielfältige Erfahrungen gerade in der Foto- und Videopraxis mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen. Zuletzt hat die GMK in NRW Qualifizierungsworkshops zur Medienarbeit mit Geflüchteten in und mit vier beteiligten Einrichtungen durchgeführt. Die Einrichtungen haben vielschichtige Projekte durchgeführt, verfügen aber auch über einen Schatz niederschwelliger Methoden, mit denen sie in diesen besonderen medienpädagogischen Kontexten gute Erfahrungen gesammelt haben. Diese Methoden sind in einem interaktiven PDF zusammengetragen und können die Praxis, auch in weiteren Praxisfeldern inspirieren.

Dieser Beitrag liefert einen Überblick über die Hintergrunde, die Vielfalt medienpädagogischer Aktivitäten in diesen heterogenen Gruppen und fokussiert schließlich ganz praktisch vor dem Hintergrund von eye_land auf Methoden, die mit Fotografie umgesetzt wurden.

Die Förderung von Medienkompetenz ist für alle Kinder, Jugendlichen und auch für Erwachsene bedeutsam. Um neu Zugewanderte oder auch Geflüchtete mit medienpädagogischen Angeboten zu erreichen, sind besondere Methoden und Zugänge sinnvoll. Eine von der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur einberufene  bundesweite Expert*innenrunde hat bereits im Oktober 2016 Erfahrungen aus vierundzwanzig medienpädagogischen Projekte ausgewertet und vorgestellt, die gezielt mit geflüchteten medienpädagogisch aktiv sind und entsprechende Erfahrungen gesammelt haben. Zwei wesentliche Ergebnisse des Expert*innenworkshops sind Handlungsempfehlungen und der Blog:

http://medienpraxis-mit-gefluechteten.de 

Hier werden nunmehr mehr als 40 Projekte vorgestellt und Praxismaterialien bereit gestellt.

Wichtige Aspekte der Handlungsempfehlungen (Erläuterungen nachzulesen auf dem Blog):

  • Kultursensibel arbeiten, transkulturelle Zusammenarbeit fördern
  • Medienbildung in verschiedenen Altersgruppen umsetzen (auch Erwachsene adressieren)
  • Medienkritik, Datenschutz, Persönlichkeitsrechte vermitteln
  • Deutsche Sprachkenntnisse medienpädagogisch verbessern
  • Diverse (Bildungs-)Kontexte berücksichtigen
  • Qualitätsentwicklung und Nachhaltigkeit stärken
  • Vernetzung und Transfer der Projekte fördern
  • Sichtbarkeit der Methoden und Projekte erhöhen 

Die medienpädagogische Arbeit mit Geflüchteten und neu Zugewanderten bildet insgesamt eine sehr große Medienvielfalt ab: unter den good practice Projekten finden sich Kino-, Video-, Audio/Radio- und Fotoprojekte. Viele Projekte knüpfen an die bereits vorhandene digitale Praxis des Klientels an, so wird vielfach mit mobilen digitalen Medien gearbeitet, Social Media/Internet einbezogen. Gezielt vermittelt und ausgebaut werden Computerkenntnisse, auch kreative Experimentierfelder, wie Fablab/Making/Coding wurden und werden erfolgreich angeboten.

Ebenso weisen die pädagogischen Themenfelder, die mit Medienprojekten realisiert werden, eine große Variationsbreite auf:

  • Alltagskompetenzen
  • Vorbereitung auf Schule und Berufsbildung
  • Digitale Bildung
  • Integration – Inklusion
  • Jugendmedienschutz
  • Kulturelle Bildung und Vielfalt
  • Selbstausdruck – Identität
  • Sozialraumerkundung
  • Sprachkenntnisse
  • Teilhabe – Politische Bildung

Um die weiter unten im Text beschriebenen Fotomethoden in diesen breiten Kontext einordnen zu können, beschreiben wir im Folgenden exemplarisch einige Projekte, die zum Teil im Rahmen des Dieter Baacke Preises als herausragende Projekte ausgezeichnet wurden. 

1. Beispiele der medienpädagogischen Projektarbeit mit Geflüchteten

 

Young Refugees TV und TV-Magazin Begin Your Integration

Offener TV-Kanal Bielefeld e.V.,  NRW 

Im Magazin Young Refugees TV zeigen junge Geflüchtete das Leben in Deutschland aus ihrer eigenen Perspektive. Dabei spielen vielfältige Bildungsaspekte eine Rolle: Sozialraumerkundung, Integration/Inklusion, kulturelle und politische Bildung und Teilhabe, deutsche Sprachkenntnisse, Selbstausdruck und gemeinschaftliches Produzieren sowie das Wahrnehmen und Wertschätzen kultureller Vielfalt.

In Workshops erwerben die Teilnehmenden grundlegende filmische Kompetenzen und produzieren anschließend eigenständig die einzelnen Beiträge. Die Jugendlichen übernehmen bei der Produktion sämtliche Aufgaben. Themen werden hierbei von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern selbst gewählt und aufbereitet, die Beiträge werden durch eine Moderation zu einem Magazin verbunden. Der OK kombiniert in seinem Angebot Medienkompetenz, Alltagsorientierung, Integration und Beteiligung mit Berufsvorbereitung. In der Redaktion von Begin your Integrationarbeiten Deutschmuttersprachler mit Refugees zusammen. Die Geflüchteten werden im gemeinsamen kreativen Austausch von Ideen und Konzepten mit den Deutschmuttersprachlern zum aktiven Sprechen und Schreiben ermutigt.

Nicht nur in der gemeinsamen Produktion wird der Austausch mit „Einheimischen“ gefördert. Auch Interviews dienen zur direkten Kontaktaufnahme und Befragung zu selbst gewählten Themen. Zudem erstellen die Geflüchteten audiovisuelle Tutorials, die Alltagsorientierung bieten und bei der Integration helfen. Als herausragendes Modell für offene Kanäle, Medienzentren und weitere Bildungskontexte erhielt das Projekt einen Dieter Baacke Preis 2018.

 

Musik- und Medienwerkstatt:Videoinstallation „Le sacre du printemps“

medienblau gGmbH, Leipzig, in Kooperation mit Impuls, der Musikvermittlung des Gewandhauses zu Leipzig

Mit der Musik „Le Sacre du printemps“ schildert Strawinsky die wechselvolle Auferstehung der Natur im Frühling. Welche Assoziationen weckt die Musik heute in 12- bis 17-jährigen Jugendlichen, die einen vielfältigen kulturellen Hintergrund haben und gemeinsam Deutsch als Zweitsprache lernen? Gemeinsam erschaffen Sie eine komplexe Videoinstallation: Sie experimentieren mit diversen ästhetischen Mitteln und Materialien, gestalten Animationsfilme, Bildcollagen und Installationen. Präsentiert wird die Installation mit der Orchester-Musik im Gewandhaus Leipzig. Ein vorbildliches interkulturelles medienpädagogisches Projekt, das zeigt, dass Medienarbeit ebenso wie Musik eine „Sprache der Welt“ ist. 2017 mit einem Dieter Baacke Preis ausgezeichnet.

 

KINO ASYL

Medienzentrum München des JFF – Institut für Medienpädagogik in Kooperation mit Refugio München, Filmstadt München, Münchner Stadtbibliothek, Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) München und Münchner Kammerspiele

Geflüchtete kuratieren selbst ein Filmfestival mit Produktionen aus ihren Herkunftsländern. Von Anfang an sind sie in alle organisatorischen Bereiche aktiv eingebunden. Sie stellen das Filmprogramm zusammen, gestalten Plakate und Programmhefte, organisieren Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, übersetzen oder untertiteln die Filme und präsentieren sie schließlich vor Publikum. Musikalische und kulinarische Eindrücke aus ihren Heimatregionen runden das Festival ab. Als ressourcenorientiertes interkulturelles Projekt rund um das Medium Film mit vorbildlich partizipativem Charakter und vielfältigen kreativen Medien wurde KINO ASYL 2017 mit einem Dieter Baacke Preis ausgezeichnet.

 

BediBe – Bedienungsanleitung für Berlin

Kinder Kultur Betrieb in Kooperation mit Actionbound, Mädchenzentrum Szenenwechsel, Tamaja Notunterkunft Columbiadamm

„BediBe“ nutzt die Methoden multimedialer Stadterforschung in der Arbeit mit geflüchteten Mädchen und erleichtert durch diese Art der Inbesitznahme bzw. Eroberung des Stadtraums den Weg in ihr neues Lebensumfeld. Das Projekt richtet sich an geflüchtete Mädchen im Alter von 8-12 Jahren. Zusammen mit Mädchen, die schon lange in Berlin leben und überwiegend einen sogenannten Migrationshintergrund haben, erstellen sie eine digitale „Bedienungsanleitung für Berlin – BediBe“. Ausgerüstet mit Digitalkameras, Tonaufnahmegeräten, Smartphones, Tablets, Stiften und Papier erforschen sie gemeinsam ihr Stadtumfeld und beantworten für sie wichtige Fragestellungen. So  entstehen persönliche Eindrücke und Geschichten der Lebenswelt der Mädchen, die in einem nächsten Schritt in Form von „Actionbounds“, Handy-Rallyes oder digitalen Schnitzeljagden, zusammengetragen werden. Das Projekt zielt auf den Erwerb von Medienkompetenz sowie gelebte Integration.

 

Open Space Medienlabor

jfc Medienzentrum in Kooperation mit Betreibern der Unterkunft, Schulen, Flüchtlingsarbeit Köln

bietet jungen Geflüchteten einen eigenen Raum und Möglichkeiten, Ideen zu verwirklichen. Film-, Video-, Radio-, Foto- bis hin zu Fablab/Maker-Projekte werden dabei umgesetzt. So fungiert das Angebot als Sprachrohr und Experimentierfeld. Das Projekt entstand aus Gesprächen mit jungen Geflüchteten und Organisatoren diverser Einrichtungen. Es bietet jungen Geflüchteten einen eigenen Raum und Möglichkeiten, ihre Ideen zu verwirklichen. Mit einem breiten medialen Angebot unterstützt das jfc Medienzentrum die Projektideen der jungen Geflüchteten technisch und fachlich. Nach den Bedürfnissen der Teilnehmer gibt es neben Kreativ-Arbeitenzum Beispiel auch Berufsvorbereitungs-Angebote wie Word-Kurse oder  selbst gefertigte  biometrische Passbilder für Bewerbungsunterlagen.

 

MedienFit für eine gemeinsame Zukunft (Bonn, FiBB e.V.)

Fachstelle für interkulturelle Bildung und Beratung – FiBB e.V. in Kooperation mit Trägern der Asylbewerberunterkünfte, Grundschulen

Neu zugezogene Familien erkunden gemeinsam mit einheimischen Familien mit und ohne Migrationshintergrund ihre Stadt. Dabei werden Orte der informellen Bildung wie z. B. Bibliothek, Museum, Biobauernhof aber auch Freizeitorte wie der Sportverein oder ein Wildpark gemeinsam besucht und die Eindrücke anschließend in eigenen oder gemeinsamen medialen Produkten (eBook, Hörgeschichte, Fotocollage, etc.) verarbeitet. Das Projekt ermöglicht ein kreative mediale Verarbeitung der Erkundungs-Erfahrungen nach dem Ansatz des vorurteilsbewussten Lernens.Die Sprachen der Familien spielen dabei eine wichtige Rolle und werden neben der Nutzung von Leichter (deutscher) Sprache einbezogen. Unterschiede bezogen auf Herkunft, Religion, Hautfarbe, Gesundheit, etc. werden thematisiert und wertgeschätzt und ein ebenbürtiger Umgang mit Vielfalt gefördert. Empowerment-Projekt, in dem die Teilnehmenden ihre (sprachlichen) Kompetenzen und (medialen) Interessen einbringen können und die Medienexpert*innen medienerzieherische Aspekte (Datenschutz, Privatsphäre, etc.) einfließen lassen und als erfolgreich integrierte Vorbilder dienen können. MedienFit erhielt für ein anderes Projekt 2011 den Dieter Baacke Preis.

1. Niederschwellige Foto-Methoden für geflüchtete oder neu zugezogene Kinder und Jugendliche (GMK-M-Team)

Foto-Projekte eigenen sich in hohem Maße für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Mit Bildern können eigene Träume und Wünsche, aber auch Ängste und Unsicherheiten ohne Worte vermittelt werden, gleichzeitig können sie zum Spracherwerb genutzt werden. So können Fantasien, reale Lebenswelten und die Dinge, die sie beschäftigen, sichtbar werden. Die greifbaren Ergebnisse der Projekte, die die Kinder und Jugendlichen auf den eigenen Handys mit sich nehmen können, fördern die Selbstwirksamkeit. Das Experimentieren mit visuellen Medien schärft den Blick auf Situationen und Motive, fördert die Kreativität und Selbständigkeit in der Mediennutzung und ermöglicht eine Teilhabe an medienkultureller Bildung. In Gruppen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen kann durch die Zusammenarbeit die kulturelle Vielfalt als Chance gesehen werden. Insgesamt sind die Projekte mit einer Sensibilisierung für risikoarmen Umgang mit digitalen Medien verbunden.

Im Vorfeld eines Projektes, bei dem Bild- oder Filmaufnahmen zu den Ergebnissen gehören, gilt es zu überlegen, wie diese Ergebnisse präsentiert und weiterverwendet werden sollen. Unserer Erfahrung nach ist die Veröffentlichung von Fotos, sei es in Print-Medien oder online, oft problematisch: Die Angst vor Verfolgung bleibt, auch wenn die geflüchteten Menschen selbst Krieg und Terror hinter sich gelassen haben. Zu der Angst um sie begleitende Familienmitglieder kommt oft die Angst um Freunde und Angehörige zu Hause. Mit dieser Problematik sollte sensibel umgegangen werden. Wir stellen daher explizit auch Methoden vor, bei denen Kinder und Jugendliche nicht selbst auf den Bildern zu sehen sind. Bei anderen Praktiken können Kinder, die nicht auf den Fotos erscheinen dürfen, dennoch als Fotograf*innen, Bildgestalter*nnen oder durch geschickte Wahl des Bildausschnittes/der Perspektive etc. an den Projekten partizipieren.

Bei allen hier vorgestellten Fotoprojekten können die eigenen Handys, Fotoapparate oder Tablets eingesetzt werden. Wir nutzen zur Präsentation der Fotos vor der ganzen Gruppe in der Regel Laptop und Beamer.

Lightpainting – Malen mit Licht

Diese Methode eignet sich gut zum Einstieg in die kreative medienpädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Bei dieser fotografischen Praxis wird mit kleiner Blende und langer Belichtungszeit in abgedunkelten Räumen fotografiert, während eine oder mehrere Lichtquellen (Taschenlampen, bunte LED-Leuchten…) vor der Kamera bewegt werden. Auch wenn die Kinder überhaupt kein Deutsch sprechen, verstehen sie nach der ersten „Demonstration“ und dem anschließenden Zeigen des Bildes sehr schnell, wie die Technik funktioniert. Die Methode fördert Kreativität, Phantasie und schöpferisches Gestalten:  Mit Lichtgraffiti können Dinge umrandet und hervorgehoben, Details hinzugefügt und ganz neue Welten (z.B. Palmen im Hinterhof oder Fische, die im Zimmer schwimmen) kreiert werden.
Hilfreich kann es auch sein, die Kamera über die Herstellersoftwarevon einem Laptop aus anzusteuern und über einen angeschlossenen Beamer die Fotos sofort zu zeigen.
Ein Vorteil dieser Methode ist, dass die Kinder und Jugendlichen, falls sie nicht selber angeleuchtet werden, auf den Fotos nicht zu erkennen sind oder nicht erscheinen, so dass sich diese Fotos meist auch für Präsentationen gut eignen.

Bilderrätsel

Die Gruppe wird in Kleingruppen zu zwei oder drei Kindern unterteilt. Diese Gruppen bekommen die Aufgabe, ein Objekt einmal von ganz Nahem (Detailaufnahme) und einmal aus größerer Distanz  (Totale) zu fotografieren. Wenn die Gruppen wieder zusammen kommen, wird das jeweils erste Bild gezeigt und die nicht beteiligten Gruppen raten, um was es sich handelt. Hierbei verstehen nicht-deutschsprachige Kinder nach den ersten Beispielbildern sofort die Aufgabe. Auch wenn die Sprache nicht beherrscht wird, legen die Kinder eine erstaunliche Kreativität in der Verständigung über die Lösungen an den Tag: Radebrechen mit verschiedenen Sprachfragmenten, nonverbales oder pantomimisches Vormachen etc., so dass die Auflösung der Aufgaben kaum eine größere Schwierigkeit darstellt als mit deutschsprachigen Gruppen. Neben den Einstellungsgrößen beim Fotografieren wird hier genaues Hinschauen und das Auswählen interessanter Foto-Objekte geübt. Zudem, da jedes Objekt in Deutsch benannt wird, dient diese Aufgabe dem Spracherwerb. Bilderrätsel eignen sich auch, um Gruppen gegeneinander antreten zu lassen, welche Bilderrätsel werden schnell erraten, welche erst nach längerem Raten?

Bilderreihen

Bei dieser Methode wird die Gruppe wieder in Untergruppen aufgeteilt (s.o.). Jede Gruppe bekommt eine Aufgabe („Geheimauftrag“), die in deutschsprachigen Gruppen in der Regel schriftlich gestellt wird. Jede Gruppe soll fünf Fotos machen, die etwas gemeinsam haben. Je nach Alter der Kinder oder Entwicklungsstand können das sein: Fünf Dinge, die grün/viereckig/süß usw. sind, oder bei älteren Kindern: Fünf Dinge, die mit Wasser/Luft/Geräuschen zu tun haben.
Diese Aufgaben können leicht in Bildsprache übersetzt werden.
Diese „Geheimaufträge“ dürfen den anderen Gruppen nicht verraten werden. Nachdem jede Gruppe ihre Fotos gemacht hat, werden die Bilder allen Kindern gezeigt und die anderen Gruppen müssen das gemeinsame Thema der Fotos erraten.
Auch bei dieser Übung wird der fotografische Blick trainiert, die Kreativität durch teilweise sehr originelle Umsetzungen der Aufgaben gefördert und nicht zuletzt durch die Benennung der einzelnen Gegenstände der Spracherwerb gefördert.

Miniaturfotografie

Diese Methode eignet sich für etwas ältere Kinder (ab 10 Jahren) und für Jugendliche. Mit kleinen Figuren (H0-Spur, Modelleisenbahnbereich) können ganz eigene, fantasievolle Szenarien gestaltet werden. Wie könnte ein winziger Mensch mit für ihn überlebensgroßen Gegenständen wie Elektrogeräten, Pflanzen, Lebensmitteln usw. umgehen? Wie und wofür könnte er sie nutzen? Das Umdeuten von Alltagsgegenständen aus der Ameisenperspektive fördert das Denken aus einem ganz anderen Blickwinkel. In die Erschaffung eigener Welten können eigene Erfahrungen einfließen und verarbeitet werden. Die Zusammenarbeit an einzelnen Bildern lässt den Gruppenzusammenhalt wachsen und fördert Teamwork. 

Bildergesichter

Auch hier wird die Gruppe in Untergruppen geteilt. Jede Gruppe wird auf die Suche nach „versteckten“ Gesichtern in der Natur oder in Gegenständen, Häusern, Autos etc. geschickt. Oft ist das Erkennen der Gesichter eine Frage des richtigen Fotowinkels oder –ausschnitts.
Auch bei dieser Methode bedarf es nur einiger Beispielbilder, um den Kindern/Jugendlichen die Aufgabe zu verdeutlichen. Die Übung trainiert den fotografischen Blick und einen neuen Blick auf vertraute Dinge.

Das mag ich – Das mag ich nicht

Zur Vorbereitung für die Foto-Aufgabe lassen sich die Freude und Angst-Vorlage des Meko Kita Service NRW zusammen mit diesen vorbereiteten Bildkarten gut nutzen. Die kleinen Bilder der Vorlage zeigen positiv besetzte Bilder wie Spielzeug, Eiscreme, Regenbögen etc. aber auch angstbesetzte wie Pistolen, Gewitter oder Spritzen. Die Bilder werden ausgeschnitten und auf die Freude/Angst Vorlage aufgeklebt. Danach machen sich die Kinder auf den Weg in Haus und Umgebung, um zu fotografieren, was sie mögen, bzw. nicht mögen. Diese Methode lässt sich gut nutzen, um individuelle Sichtweisen der Kinder aufzuzeigen (manche mögen Hunde, andere nicht) und zu zeigen, dass diese Verschiedenheiten in Ordnung sind. Sie eignet sich ebenfalls als partizipativer Ansatz, um Verbesserungsvorschläge einzubringen, die in den jeweiligen Einrichtungen (Wohnstätten, Jugendzentren, Schulen…) umgesetzt werden können.
Die Methode kann ohne viele Worte vermittelt werden. Besonders die visuellen Anleitungen sind auch für die Arbeit mit älteren Kindern mit geringen deutschen Sprachkenntnissen und/oder Lesekompetenzen nützlich. Die ruhige Einzelarbeit an den Vorlagen wurde von den Kindern unserer Erfahrung nach immer sehr geschätzt. Bei intensiverer Arbeit mit einer Gruppe kann hier auch die emotionale Situation der Kinder näher betrachtet werden (was ist positiv oder negativ besetzt, welchen Hintergrund könnte das haben?).

Fantastische Kreidebilder

Diese Methode nutzt das Verfahren der Top Shot-Fotografie, wie sie bspw. im Projekt „Dreams of flying“ von Jan von Holleben im professionellen Rahmen umgesetzt wird.
mit bunter Straßenkreide werden zunächst Bilder auf einen Platz/Bürgersteig o.ä. gemalt (man sollte darauf achten, genug Platz zu haben, besonders wenn man mit mehreren Untergruppen malt). In diese Kreidezeichnungen werden dann die Kinder integriert, so dass, von oben gesehen, ein stimmiges Bild entsteht. Dies wird anschließend von einer Stehleiter oder aus einem Fenster heraus fotografiert. Mit dieser Praktik können kreative, fantasievolle Fotos entstehen: Kinder können fliegen, riesengroß oder bärenstark werden oder zusammen akrobatische Meisterleistungen erbringen.  
Auch hier erklärt sich die Methode ohne viele Worte durch ein paar Beispielbilder. Das gemeinsame Gestalten von eigenen Welten fördert die Zusammenarbeit und bietet vielfältige Möglichkeiten, Traumbilder oder Wünsche nonverbal auszudrücken.

Green Screen Fotografie

Mit verschiedenen Apps, wie z. B. „Greenscreen by do Ink“ (IOS) können sehr leicht eigene Greenscreen Bilder fotografiert werden. Als Hintergrund eignet sich ein grüne Decke, ein Laken oder ein grüner Vorhang. Die App rechnet das Grün aus dem Bild heraus und ersetzt es durch einen frei wählbaren Hintergrund. Wichtig ist, dass der Stoff möglichst faltenfrei und das Bild gut ausgeleuchtet ist. Anstelle des grünen Hintergrunds können nun entweder selbstgemachte Fotos oder solche, die von freien Fotoplattformen heruntergeladenen wurden, eingesetzt werden, so dass die Kinder die Möglichkeit haben zu fliegen, mit bunten Fischen zu schwimmen, wilde Tiere zu bändigen und vieles mehr. Die Funktionsweise der App ist sehr leicht zu lernen, nach zwei oder drei Bildern können sie auch nicht-deutschsprachige Kinder selber bedienen. Kinder und Jugendliche können sich so in eigene Wunsch-Welten begeben und ihre Fantasien ohne Worte ausdrücken.    

Bilder-Anleitungen/Tutorials

Bei dieser Methode geht es darum, fotografisch, ohne Sprache Anleitungen zum Gebrauch verschiedener Geräte herzustellen. Diese können gut in Einrichtungen wie Clearinghäusern eingesetzt werden, in denen minderjährige unbegleitete Geflüchtete leben, denen der Gebrauch von bspw. Haushaltsgeräten oft zunächst nicht vertraut ist. Hier sind die Jugendlichen unserer Erfahrung nach sehr gern bereit, etwas dafür zu tun, dass es ihre Nachfolger*innen leichter haben. Auch die Vermittlung, nämlich mit den Fotos relativ kleinschrittig zu zeigen, wie z.B. eine Kaffeemaschine funktioniert, gelingt ohne viele Worte. Oft gibt es ein oder zwei „Models“, die sich zur Demonstration der Maschinen zur Verfügung stellen, während die andern fotografieren. Die Fotos können anschließend ausgedruckt und an die Wand über den Geräten angebracht werden.

Medienpädagogische Projektarbeit als Teilaspekt kultureller wie auch politischer Bildung eröffnen geflüchteten oder neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen Chancen des Selbstausdrucks, der Mitwirkung, Zusammenarbeit und nicht zuletzt auch eines vielschichtig kompetenten Umgangs mit Medien. Kultursensibilität und eine sprachlich für die Möglichkeiten der jeweiligen Gruppen adaptierte Methodik tragen zum Gelingen der Projekte bei. Um möglichst viele Pädagog*innen für diese Arbeit zu qualifizieren und zu gewinnen, müssen entsprechende medienpädagogische Erfahrungen und Methoden nicht nur in Schrift und Bild, sondern auch weiterhin in Seminaren und Workshops vermittelt werden.

 

Eva Kukuk, Dipl. Päd., Medienpädagogin,  GMK-M-Team

Renate Röllecke, M.A., Referentin für Medienpädagogik und Medienbildung in der GMK-Geschäftsstelle

 

https://www.dieter-baacke-preis.de

Die bundesweite Auszeichnung für medienpädagogische Projekte

Blog: http://medienpraxis-mit-gefluechteten.de/

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