Freude, Hoffnung, Trauer
Mehr als „nur“ eine Fotoausstellung
„Freude, Hoffnung, Trauer“ - Jugendliche Kriegsflüchtlinge aus Görlitz zeigen mit Fotografien ihre verborgenen Gefühle.
Sie sind 14, 16, 18 Jahre alt und älter. Die Meisten besuchen seit ihrer Ankunft in Görlitz vor ein paar Monaten Gymnasien und Berufsschulen und sie kommen aus dem Kriegsgebiet Syrien. Nach der Schule kümmern sie sich um jüngere Geschwister und helfen im Haushalt. Sie gehen einkaufen, spazieren, am Abend machen sie ihre Hausaufgaben und suchen untereinander eine Gemeinschaft. Es wird gekocht und Musik gehört. Viele wünschen sich auch Städte außerhalb von Sachsen kennenzulernen, doch die meisten dürfen es erst dann, wenn der Asylstatus anerkannt wird.
Fast jeden Tag durchforsten sie das Internet, um zu erfahren, ob der Rest der Familie und ihre Freunde in Syrien noch am Leben sind und welches Ausmaß der Krieg in Syrien annimmt. Das Smartphone dient nicht nur als elektronischer Übersetzer und Kommunikationsplattform, sondern bildet auch eine wichtige „Brücke“ zwischen Deutschland und ihrer Heimat.
Nicht selten erstarren sie vor ihrem Handy, wenn sie erfahren, dass ein weiterer Freund im Kriegsgeschehen sein Leben verloren hat. Sie unterdrücken oft die Tränen und kaum jemand weiß, wie es in ihnen aussieht.
Das Programm des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend „Demokratie Leben“ hat es ermöglicht, dass das Jugendamt des Landkreises Görlitz eine Ausschreibung für ein Integrationsprojekt machen konnte.
Der Regisseur und Autor Bernard Marian Jéenel schrieb das Konzept und im Oktober 2015 konnten 14 Jugendliche aus Syrien und ein deutscher Schüler aus Görlitz mit einem außergewöhnlichen Fotoprojekt gemeinsam beginnen.
Die Aufgabe an die Jugendlichen lautete, mit der Hilfe von Fotokameras drei persönliche Gefühle fotografisch darzustellen: Freude, Hoffnung, und Trauer.
Für die meisten Jugendlichen eine völlig neue Erfahrung, die durch gegenseitige Motivation, Disziplin, und Vertrauen zu Begeisterung wuchs. Der Workshop fand seinen Anfang in den Räumen der Sapos e.V., wo die jungen Menschen die Grundlagen der Fotografie mit Projektinitiator Bernard Jèenel, erlernen konnten.
Acht Wochen lang fotografierten sie in ihrem Wohnort Görlitz und dem Landkreis verschiedene Situationen und Motive, die ihre Emotionen wiederspiegeln sollten.
Für den Projektleiter war es sehr wichtig, auf keinen Fall den Jugendlichen vorzuschlagen, was sie fotografieren sollten. Diese Entscheidung trafen die Teilnehmer selbst.
„Es ging um viel mehr, als nur die Fotos für eine Ausstellung vorzubereiten. Es ging auch um den Abbau von Ängsten und Vorurteilen. Integration heißt ebenso Vertrauen“, sagt Jèenel und ergänzt: „Für den Einen stellt das Motiv der weißen Kondensstreifen eines Flugzeugs am Himmel den Gedanken an einer Reise dar. Der Andere sieht darin die Flugbahn einer Rakete und denkt an sofortige Flucht. Das ist nur eine der vielen ähnlichen Erfahrungen, die ich während der Arbeit mit der Gruppe erlebte.“
Während den „Fotoreisen“ entstanden Dialoge zwischen Einheimischen und den Teilnehmern, in denen zum größten Teil Vorurteile und Missverständnisse abgebaut werden konnten.
Im Verlaufe des Projektes verstarb unerwartet der syrische Dolmetscher der Gruppe. Aus eigenem Antrieb heraus, entschieden die Jugendlichen, auf weitere übersetzerische Hilfe zu verzichten und sich eigenständig und intensiv mit der deutschen Sprache zu befassen. Nach einigen Wochen übernahmen die Teilnehmer die Rolle des Übersetzers untereinander.
Auch die vereinzelten Anfeindungen und sogar tätliche Übergriffe in der Öffentlichkeit, konnten die kreative Projektarbeit und das kulturelle Ziel nicht an der Verwirklichung hindern. Die Bilderausstellung und die Motive sind ein Versuch der Kommunikation und Integration und gegen Vorurteile und Gewalt.
Während der kreativen Arbeit wurden Hunderte von Fotos gemacht. 40 davon bilden Synonyme für Freude, Hoffnung und Trauer und dieser Fotos bilden eine sehenswerte Ausstellung und sind zugleich eine Einladung zum Dialog und zum Nachdenken.
Fotograf*innen:
Bernard Marian Jéenel (Projektleitung)
Frank Berger
Mhtrian Hanry
Mhtrian Antoine
Yossep Mohamed
Issak Kassem
Alhalem Loay
Alwani Ahmad
Alhalem Osama
Kassem Ahmad
Kassem Omar
Al Ibrahim Mchammad
Alatae Malek
Auro Bendgkij Raed
Madtech Ahmad
Madtech Hassan
Omari Yahya
Hazem Tony
Salman Ahmad
Region:
Sachsen
Entstehungsjahr:
2015
Neueste Projekte
Neoenkel
Iris Wolf (Projektleitung), Jörg Meier (Projektleitung), Projektträger: LAG Kunst und Medien
In diesem Wohnprojekt leben 20 Senior*innen und fünf unbegleitete minderjährige geflüchtete Männer. Sie stammen aus Eritrea, Syrien und dem Iran. Einige der Senior*innen sind ‚Vertriebene’ aus Oberschlesien und Pommern.
Nordrhein-Westfalen, 2017
Aus der Ferne - aus der Nähe
Iris Wolf (Projektleitung), Jörg Meier (Projektleitung)
Das Projekt „Aus der Ferne - aus der Nähe“ beschäftigt sich experimentell mit den Vorstellungen von jungen geflüchteten Menschen, die schon eine Zeitlang in Deutschland leben. Sie haben ein neues zu Hause gefunden, sie gehen zur Schule, treffen sich mit neuen Freunden. Es ist ein Folgeprojekt mit Teilen der Gruppe aus NEOENKEL. Diesmal allerdings geht es um die Zukunftsvisionen der jungen Männer die im Seniorenzentrum ihr eigenes Apartments haben oder hatten.
Nordrhein-Westfalen, 2018
On the Move
SocialVisions - Photography for Social Change
Neuruppin:, Elita, Khadisht, Khava, Madina, Pirdoz, Rayana , Potsdam:, Bashar, Hewa, Lava , Mohanad, Morad, Mouhammad, Raam
Das partizipative Fotoprojekt ON THE MOVE lud geflüchtete Jugendliche aus dem Land Brandenburg ein, ihre eigenen Geschichten in Bildern zu erzählen. Im Rahmen einer mehrere Monate dauernden Workshop-Reihe fand ein Fotoworkshop mit zugewanderten Jugendlichen in Potsdam sowie ein Fotoworkshop mit zugewanderten Mädchen und jungen Frauen in Neuruppin statt.
Brandenburg, 2017